Handlungsempfehlungen für Fachpersonal

Signale erkennen, Leben retten

Suizidalität im Arbeitsalltag erkennen

Viele Berufe kommen im Arbeitsalltag mit größeren Gruppen und vielen verschiedenen Menschen in Kontakt. Ob als Lehrer:in mit mehreren Schulklassen, als Pfleger:in oder Ärzt:in auf einer Krankenstation oder als Fußballtrainer:in in einem Verein. Auch Sozialarbeiter:innen oder Psycholog:innen geht es ähnlich.

Diese psychosozialen, erzieherischen, medizinischen und pflegerischen Tätigkeiten erfordern ein hohes Maß an Verantwortung und tagtäglich deine uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Das kann anstrengend sein.

Wir wollen dir dabei helfen, mögliche Warnsignale für Suizidalität frühzeitig zu erkennen und dir einige Handlungsempfehlungen an die Hand geben. Diese können helfen, mit betroffenen Personen respektvoll und auf Augenhöhe in Interaktion zu treten.

Umfangreiche Informationen zu Ursachen, Warnzeichen und Mythen über Suizid findet ihr unter Suizidalität erkennen. Die Informationen sind auch für Fachpersonal relevant.

Darüber hinaus fasst Psychologe Marcel Kruse in einem Tutorial die wichtigsten Schritte zusammen: Wie erkenne ich als (psychosoziale) Fachkraft Suizidalität und wie gehe ich dann weiter vor?

Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen

Die Entwicklungsphase, in der Kinder zu Erwachsenen werden ist eine herausfordernde Zeit. Körper und Psyche verändern sich und ständig müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden: Wer bin ich? Wer will ich sein? Mit wem will ich Zeit verbringen?

Überforderung, Unsicherheit und Selbstwertproblematiken können auftreten.

Die aktuellen Daten belegen, dass Suizid bei jungen Menschen im Alter zwischen 1 und 29 die zweithäufigste Todesursache nach Unfällen ist. Es ist also wichtig, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit ihren Krisen und Warnzeichen erst zu nehmen.

Einen eindeutigen Auslöser für Krisen gibt es nicht und auch etwas, das für Erwachsene überwindbar scheint, kann bei Heranwachsenden das Fass zum Überlaufen bringen. Ein Suizid kann in solch einer Situation als einzige Lösung erscheinen. Mögliche Warnzeichen für Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen sind:

  • Verbale und nonverbale Äußerungen wie z.B. direkte und indirekte Äußerungen oder gemalte Symbole
  • Körperliche Auffälligkeiten wie z.B. Veränderung der Essgewohnheiten oder selbstverletzendes Verhalten
  • Auffälliges Verhalten wie z.B. Leistungsveränderungen, Verhaltensänderungen oder Schule schwänzen
  • Akute Signale wie ein vorangegangener Suizidversuch, selbstzerstörerisches Verhalten, Äußerungen von Suizidabsichten, Abschiedsbriefe oder praktische Vorbereitungen auf einen Suizid

Suche dir Unterstützung

Wenn du solche Warnzeichen bemerkst, solltest du aktiv werden und ein ruhiges Gespräch suchen. Dabei steht im Vordergrund, die eigene Sorge anzusprechen, zuzuhören, konkret nach Suizidgedanken oder Suizidplänen zu fragen und Entlastung zu schaffen. Fertige Lösungen anzubieten ist hingegen wenig hilfreich. In diesem Gespräch können auch Möglichkeiten anderer Kontakt- und Unterstützungsmöglichkeiten besprochen werden, wie z.B. Schulpsycholog:innen, Vertrauenslehrer:innen oder Beratungsstellen für Jugendliche.

In jedem Berliner Bezirk gibt es außerdem ein „Schulpsychologisches und Inklusionspädagogisches Beratungs- und Unterstützungszentrum“ (SIBUZ). Dort können sich Schüler:innen, Eltern und Schulpersonal mit Fragen zum Thema „Umgang mit Krisen“ hinwenden. Wenn du vermutest oder weißt, dass ein Kind Suizidgedanken hat, du aber nicht weißt, wie du vorgehen sollst: Bleib nicht allein und hol dir Unterstützung von Expert:innen.

Suizidalität bei alten und kranken Menschen

Mit steigendem Alter steigen auch die Suizidraten an und einige Faktoren haben im höheren Alter einen Einfluss auf die Suizidalität. Neben psychischen und körperlichen Erkrankungen, spielen auch häufig die Abnahme von Mobilität, und Leistungsfähigkeit, Isolation und kritische Lebensereignisse wie der Renteneintritt oder Verlusterfahrungen eine wichtige Rolle. Fehlende stabilisierende, sinnstiftende Faktoren können ebenfalls zu einer suizidalen Krise beitragen.

Grundsätzlich gelten bei alten Menschen die gleichen Aspekte, wie bei allen Menschen in suizidalen Krisen: die Sorge und Beobachtungen ansprechen, konkret nachfragen, zuhören und entlasten. Bei alten Menschen wird allerdings häufig beobachtet, dass Menschen ihre Suizidalität aus Scham- oder Schuldgefühlen herunterspielen oder abstreiten.

Insbesondere für sehr isolierte Menschen, ist der Kontakt zu Pflegekräften oder der hausärztlichen Versorgung wichtig, um suizidale Krisen frühzeitig zu erkennen. Bei einem entsprechenden Verdacht solltest du also unbedingt konkret nachfragen. Warnzeichen können neben den allgemeinen Warnzeichen z.B. auch die Vernachlässigung von Hygiene, Ernährung oder Medikamenteneinnahme sein.

Im Falle von nicht-akuter Suizidalität ist es empfehlenswert, gemeinsam mit den Patient:innen, verfügbare Suizidmittel zu entfernen und die soziale Einbindung sowie die Anbindung an altersentsprechende Hilfsangebote zu stärken. Als Hilfsangebot sind sowohl Kriseninterventionsangebote relevant als auch Angebote, die die spezifischen Belastungsfaktoren reduzieren, wie z.B. ambulante Pflege oder Beratung.

Handlungsempfehlung: Ein Gespräch beginnen

Egal ob Freund:in, Eltern, Sporttrainer:in, Krankenpfleger:in oder Sozialarbeiter:in: Der wichtigste Schritt ist das Gespräch zu suchen und konkret nachzufragen. Wie das am besten geht, steht ausführlich auf der Seite „Darüber reden“.

Schulungen zum Umgang mit Suizidalität

Plötzlich mit Suizidalität im Beruf konfrontiert zu sein, kann verunsichern. Daher ist es wichtig, sich zu diesem Thema weiterzubilden. Im Idealfall regelmäßig, um mehr Sicherheit im Umgang zu bekommen. Schulungen gibt es von verschiedenen Anbietern und für verschiedenste Zielgruppen: z.B. für Psychotherapeu:innen, Mitarbeitende in Beratungs- oder Betreuungsangebote oder für Lehrkräfte und andere Pädagog:innen.

Anbieter solcher Workshops z.B. von Akademien wie der neuhland Akademie, in Projekten wie [AUSWEG]LOS oder selbstständigen Angeboten wie Nora Fieling. Außerdem gibt es verschiedene Anbieter, die Mental Health First Aid Kurse anbieten: Als erste Hilfe für psychische Gesundheit.

Weil du wertvoll bist

Du setzt dich für andere Menschen ein, bietest ihnen Hilfe an und leistest Unterstützung. Du hörst zu, gibst Tipps, lehrst Inhalte und bringst Fähigkeiten bei. Du und deine berufliche Tätigkeit sind ein Segen für unser gesellschaftliches Zusammensein.

Doch es ist wichtig, dass du Grenzen ziehst und dich auch für deine eigenen Bedürfnisse einsetzt. Solltest du also Unterstützung benötigen, scheue dich bitte nicht, um Hilfe zu fragen.

Suizidale Gedanken – auch wenn sie nicht dem eigenen Kopf entspringen – sind belastend und kräftezehrend. Wenn du mit jemandem über deine Erfahrungen sprechen möchtest, kannst du dich jederzeit an verschiedene Hilfsangebote wenden.

Denn du kannst nur Hilfe leisten, wenn du selbst die Kraft dazu hast.